Mandanten-Rundschreiben vom 4. August 2014
Aus der Erfahrung von Betriebsprüfungen in jüngster Zeit haben wir für Sie nachstehend einmal einen Überblick über die Entwicklung der Prüfungsmethoden der Finanzämter gegeben:
Nachdem in vielen Fällen aus den Betriebsprüfungen nur kleine Ergebnisse für die Finanzverwaltung erzielt wurden, hat man dort jetzt offenbar eine neue Angriffsfläche entdeckt. Konkret geht es hier um die Aufzeichnungspflichten bei Bargeschäften, also die Kasse. Dies ist natürlich insbesondere dort von erhöhtem Interesse, wo ein erheblicher Teil oder sogar die gesamten Tageseinnahmen über die Kasse abgewickelt werden: Einzelhandel, ggf. auch Großhandel, Restaurationsbetriebe stehen hier im Blickpunkt.
Ziel mancher Finanzamts-Prüfer ist es dabei, durch den Hinweis auf mängelbehaftete Kassenführung gewissermaßen die Eintrittskarte zur Schätzung zu bekommen. Zuschätzungen von 10 % des Umsatzes (nicht etwa des Gewinnes, sondern des Umsatzes, d.h. der Betrag schlägt in voller Höhe auf den Gewinn durch und verursacht außerdem auch noch 19 % Umsatzsteuer) sind hier die Regel. Derartige Zuschätzungen sind – wenn denn die Kassenführung nicht ordnungsgemäß ist – sogar von der Rechtsprechung gedeckt. Umso mehr muss es Ihr und unser Interesse sein, für eine möglichst unangreifbare Kassenführung zu sorgen.
Ein kleines Beispiel zur Verdeutlichung der steuerlichen Folgen:
Auch wenn Ihr Gewinn nur 50.000,00 € im Jahr beträgt, die Umsätze aber 300.000,00 € betragen, so sind 10 % Kassen-Zuschätzung 30.000,00 €. Was ganz leicht zu rd. 10.000,00 € bis 15.000,00 € Steuernachzahlung führen kann, zuzügl. der 19 % Umsatzsteuer ( 30.000,00 € x 19 % = 5.700,00 €) insgesamt also pro Jahr ohne weiteres zwischen 15.000,00 € und 20.000,00 € Steuernachzahlung. Der übliche Betriebsprüfungszeitraum beträgt 3 Jahre, also rund 60.000,00 € mehr Steuern.
Überblick:
Vom Grundsatz her ist jedes Bargeschäft wie auch jeder andere Geschäftsvorgang einzeln aufzuzeichnen. Wird also z.B. ein Gegenstand für 1.000,00 € verkauft, so hat der Verkäufer festzuhalten, an wen, mit welcher Adresse, an welchem Tag und vor allen Dingen mit genauer Beschreibung, was verkauft worden ist. Das Vorgehen entspricht im Prinzip dem Ausstellen einer Rechnung.
Ausnahme:
Für Unternehmen, die üblicherweise Bargeschäfte über kleinere Beträge (Grenze: 15.000,00 € pro Umsatz) an eine Vielzahl von Kunden tätigen, deren Name üblicherweise nicht festgestellt wird und/oder wo die Feststellung der Identität des Kunden mit zuviel Aufwand verbunden wäre, gibt es eine Ausnahme: Die Bargeschäfte können, falls keine Registrierkasse vorhanden ist, durch Zählen der Kasseneinnahmen festgestellt werden. Im einfachsten Fall spricht man dann von der offenen Ladenkasse, also ohne irgend eine ‚Kassenmaschine‘.
Hierzu müssen Kassen-Tagesberichte in der gesetzlich vorgesehenen Form (also solche Kassen-Tagesberichte, die durch Rückwärtsrechnung die Tageseinnahme ermitteln) lückenlos und in einwandfreier Form vorliegen. Diese Kassenberichte sind täglich zu führen, woraus sich ergibt: Ein Führen der Kassenberichte – etwa beim Steuerberater – ist nicht geeignet, die Kriterien der Ordnungsmäßigkeit zu erfüllen. Denn in diesem Fall werden ja nur einmal im Monat die Kassenberichte erstellt. Wichtig ist auch: Bei offener Ladenkasse muss exakt gezählt werden, Rundungen auf glatte Euro-Beträge etc. sind nicht zulässig und führen zu Zweifeln an der Ordnungsmäßigkeit. Sollten zu dem Fall der offenen Ladenkasse noch Zweifelsfragen bestehen, stehen wir Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite.
Regelfall: Registrierkassen und die Übergangsfrist bis 31.12.2016
Das sind neben den bekannten Kassen-Geräten auch Geräte mit vergleichbarer Funktion. Man denke hier insbesondere an elektronische Waagen, die eine Kassen-/Bonfunktion haben.
Je nach Kassentyp ergeben sich folgende Besonderheiten:
a. rein mechanische Kassen
Bei den ältesten Modellen findet man ein doppeltes Rechenwerk, dass zeitgleich den Kundenbon und einen Endlos-Streifen für die eigenen Unterlagen enthält. Ein interner elektronischer Speicher fehlt. Hier gibt es nichts aufzurüsten, diese Kassen können bis längstens 31.12.2016 weitergenutzt werden. Bedienungsanleitung aufheben, sofern noch vorhanden.
b. Registrierkassen mit elektronischen Bauteilen
Neuere Registrierkassen nutzen interne Speicher und drucken tagsüber nur den Kundenbon, bei Bedarf Zwischensummen-Bons und am Tagesende den Z-Bon, der dann den internen Speicher löscht und für den nächsten Tag vorbereitet. Hier muss Ihrerseits geprüft werden, ob die Kassen mit Speichererweiterungen oder externen Speicher, Softwareupdates etc. aufgerüstet werden können.
Aufzuheben sind Bedienungsanleitungen, Programmierprotokolle, und natürlich die täglichen Z-Bons in lückenloser (!) Reihenfolge sowie ggf. alte Speichermodule.
Eine nicht so weit als irgend möglich aufgerüstete Kasse kann einen Mangel der Kassenführung darstellen und zu Schätzungen führen!
Achtung: Sie sind in der Nachweispflicht!
Die Übergangsregelung für die Altkassen bis zum 31.12.2016 begünstigt nur solche Registrierkassen, die soweit als irgend möglich technisch und softwaremäßig aufgerüstet worden sind. Sie als Geschäftsinhaber sind in der Verantwortung, das Fehlen weiterer Aufrüst-Möglichkeiten nachzuweisen. Verlassen Sie sich nicht auf Hörensagen und mündlichen Aussagen der Händler. Erbitten Sie eine schriftliche Bestätigung.
c. neue Registrierkassen
Registrierkassen neuester Generation haben größere, eigene Speicher und/oder Schnittstellen für den Datenexport in externe Speicher. Bei diesen Registrierkassen muss der Datenzugriff auf die in der Kasse/dem externen Speicher vorhandenen Daten für die Dauer der Aufbewahrungsfrist (im Zweifel 10 Jahre) jederzeit möglich sein, die Einträge müssen unverzüglich lesbar und maschinell auswertbar gemacht werden können. Die Daten müssen unveränderbar in der Kasse/im externen Speicher gesichert werden bzw. Änderungen müssen durch das System gekennzeichnet werden und damit später erkennbar sein. Lediglich Aufbewahren der Unterlagen in ausgedruckter Form genügt nicht.
Der digitale Datenzugriff muss in der Kasse/dem externen Speicher möglich sein. Der gesamte Inhalt der aufgezeichneten Daten muss also elektronisch aufbewahrt und jederzeit wieder lesbar zu machen sein. Hat man also z.B. eine Kasse, bei der nach verschiedenen Warengruppen sortiert werden kann, so muss auch diese Auswertungsmöglichkeit auf Dauer erhalten werden. Daneben müssen nach wie vor die Organisationsunterlagen (siehe oben: Bedienungsanleitung, Programmieranleitung und Programmiervorgänge) dokumentiert werden. Auch hier sind Sie als Unternehmer gefordert und in der Pflicht.
Sonderfall: PC-Kassen-Systeme und Warenwirtschaftssysteme
Von echten Registrierkassen zu unterscheiden sind sog. PC-Kassen-Systeme, die mit einem handelsüblichen PC ausgerüstet sind und z.B. in Restaurationsbetrieben eine Statistik über Speisen zu erzeugen oder auch um die Verbindung zwischen (evtl. sogar Funk-) Bestellaufnahme, Thekenbereich und Küche darzulegen. Da PC’s üblicherweise über eine beliebig große Festplatte verfügen, gilt hier erst recht: Alles muss erhalten bleiben, alles muss lesbar gemacht werden können, alles muss ggf. elektronisch dem Prüfer zur Verfügung gestellt werden können.
Man denke etwa auch an Kassensysteme, die ein integriertes Waren-Wirtschaftssystem haben. Hier wird durch den Verkauf von einem Artikel der Vorratsbestand korrigiert und ggf. eine Neubestellung vorgeschlagen oder sogar direkt durchgeführt. In diesem Fall sind also die neben den einzelnen Verkäufen auch die sich daraus ergebenen Statistiken, Bestellvorgänge, etc. aufbewahrungspflichtig.
Mehrere Kassen in einem Betrieb, Haupt- und Nebenkassen:
Jede Einzelkasse erfordert eine separate Kassenführung. Gibt es in einem Einzelhandelsgeschäft z.B. eine Hauptkasse (für die Kassierung aller Waren) und zwei Nebenkassen (für Aktionsstände, Sonderflächen etc.) so sind schon drei Kassenaufzeichnungen von Nöten. Dies gilt auch dann, wenn die Beträge aus den Nebenkassen später in die Hauptkasse eingelegt werden. Werden die Nebenkassen als offene Ladenkassen geführt, so sind für jede Nebenkasse separat vollständige Kassentagesberichte (siehe oben) erforderlich. Sind die Nebenkassen selbst elektronische Registrierkassen, so sind für jede Nebenkasse die vorstehend beschriebenen Anforderungen jeweils separat zu prüfen und zu erfüllen.
Kernpunkt jeder Kassenführung ist die Kassensturzfähigkeit. Kassensturzfähigkeit bedeutet, dass zu jedem beliebigen Zeitpunkt der gezählte Inhalt der Kasse identisch sein muss mit dem rechnerisch fortgeschriebenen Kassenbestand. Bitte denken Sie in diesem Zusammenhang daran, dass die Finanzämter seit 2 Jahren die Möglichkeit der sog. Umsatzsteuer-Nachschau haben. Hier kann also ein Außendienstmitarbeiter der Finanzverwaltung unangemeldet zu Ihnen kommen, um z.B. die Kassensturzfähigkeit zu überprüfen. In der Vergangenheit ist dies – soweit wir im Mandantenkreis gesehen haben – noch nicht vorgekommen. Wir gehen jedoch infolge der zunehmenden Finanzknappheit der öffentlichen Kassen davon aus, dass dieses Mittel in Zukunft öfter angewandt werden wird.
Ein Mitwirken Ihrerseits, insbesondere bei der Sorgfalt der Kassenführung, bei der Überprüfung der Aufrüstungsmöglichkeiten und bei der Sorgfalt der Bedienung elektrischer und elektronischer Kassen ist unverzichtbar! Fehler hier können durch noch so gute Bearbeitung unsererseits nie mehr geheilt werden. Selbst nur wenige Fehler (der klassische Fall: Es fehlen Z-Bons, es werden keine Organisationsunterlagen aufbewahrt, es wurden Kassenspeicher bei Inspektionsarbeiten an der Kasse gelöscht) können zur Versagung der Ordnungsmäßigkeit der Kasse führen. Schätzungen des Finanzbeamten sind Tür und Tor geöffnet. Wirkung: Siehe oben.
In vielen Fällen werden Kassenberichte geführt, in die dann auch die Ergebnisse der elektronischen Kasse als Einnahme aufgenommen werden. Zuletzt hatten wir eine Betriebsprüfung, bei der das „menschliche Moment“ vermisst wurde. Was heißt das? Es ist vollkommen normal und menschlich, wenn etwa beim Herausgeben von Wechselgeld Zählfehler passieren. Diese führen in aller Regel zu kleineren Mehr- oder Minderbeständen in der Kasse. Und weil dies vollkommen normal und menschlich ist, so müsste das auch in Ihrer Kasse zumindest gelegentlich vorkommen. Wenn Sie also ein Kassenbuch haben, in dem es permanent keinen Eintrag zu den Tages-Kassendifferenzen gibt, so dürfte diese Kasse nicht ordnungsgemäß sein. Aus Sicht der Finanzverwaltung – und wohl auch nicht ganz unberechtigt aus der Lebenserfahrung heraus – muss es immer wieder zu Kleindifferenzen bei der Kasse kommen. Hier wäre also bspw. nach dem Eintrag der Tageseinnahme im Kassenbuch noch der Kleinbetrag für die Differenzen aufzuführen, damit man dann auf den tatsächlich gezählten Bestand lt. Kasse kommt.
Auch wenn es eigentlich selbstverständlich ist: Eine Kasse kann niemals einen Minusbestand haben. Versuchen Sie mal, in einer Stahlkassette ein Loch zu graben.
Sofern Ihre Kasse über Speichermöglichkeiten verfügt, denken Sie auch an Sicherungsmaßnahmen für den Speicherinhalt. Gelegentliches Auslesen und Übertragen auf andere Datenträger wäre hier sinnvoll.
Noch ein Hinweis an die Gastwirte:
Haben Sie beispielsweise eine Bierschwemme, in der der Verzehr des Gastes auf dem Bierdeckel durch Striche markiert wird? Heben Sie bitte diese Deckel 10 Jahre lang auf, sortiert nach Datum.
Denken Sie im Beherbungsgewerbe daran, dass Hotelgäste nach den Meldegesetzen aufzuzeichnen sind. Hier ist also zwingend eine Einzelaufzeichnung (Rechnung) der Umsätze nötig, da Ihnen die Daten ja ohnehin bekannt sind.
Sie führen Umsätze grundsätzlich nur gegen einzelne Rechnung aus? In diesem Fall werden Sie oft nur ein Kassenbuch führen. Hier ist es zwingend erforderlich, in jeder Zeile den Kassenbestand rechnerisch zu ermitteln, denn diesen haben Sie ja fortlaufend mit dem Zählbestand verglichen. Denken Sie auch hierbei an das „menschliche Moment“: Es kann immer wieder mal zu kleinen Differenzen kommen, die als Kassendifferenz im Kassenbuch mit aufgeführt werden müssen, entweder als Einnahme oder als Ausgabe, je nachdem.
Lt. Urteil des BFH vom 16.02.2006 wird bei sog. Überschuss-Rechnern (sog. Gewinnermittlung) Bargeld sofort zu Privatvermögen, also wäre eigentlich eine Kassenführung entbehrlich. Aber: Auch der Überschuss-Rechner muss seine Bar-Einnahmen nachvollziehbar machen. Also doch wieder: Kassenberichte bei offener Ladenkasse oder eben die zuvor genannten Kriterien zu den Registrierkassen.
Vergessen Sie nicht, die Kassentagesberichte beziehungsweise die Kassenbuchblätter zu unterschreiben.
Sofern es für Ein- und Ausgaben in der Kasse keinen eigenen Beleg gibt (Barentnahmen oder Bareinlagen) fertigen Sie bitte einen Eigenbeleg. Ein Muster fügen wir bei.
Ein Zählprotokoll zu den täglichen Bar-Einnahmen wird nirgendwo im Gesetz oder in der Rechtsprechung gefordert. Bei umfangreichen Kassenbeständen wird die Finanzverwaltung jedoch argumentieren, dass ohne das Hilfsmittel „Zettel“ eine vernünftige Zählung nicht möglich sei. Daraus ergibt sich: Entweder können Sie gut im Kopf zählen oder Sie benutzen einen solchen Zettel (Zählprotokoll). Wenn Sie ein Zählprotokoll benutzt haben, müssen Sie dies zusätzlich aufbewahren.
Ihr Steuerbüro
Harald H. Houben