Damit müssen Sie als Arbeitgeber oder Auftraggeber rechnen
Ansprüche, Folgen, Besonderheiten, Strafen …
Seit dem 1. Januar 2015 gilt der Mindestlohn in Höhe von 8,50 €. Eine einfache Tatsache – aber unter Umständen mit weitreichenden Folgen. Sie als Arbeitgeber müssen eine Menge beachten, um sicherzugehen, dass Sie sich korrekt verhalten. Sie sollten einige Besonderheiten kennen, und vor allem wissen, welchen Pflichten Sie unterliegen, um sich nicht womöglich in den Augen der Behörden strafbar zu machen. Im Folgenden haben wir alle relevanten Informationen für Sie ausführlich zusammengestellt. Für Ihre Rückfragen und für eine individuelle Beratung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
I. Geltung, Ansprüche und Berechnungsgrundlagen
- Wer hat Anspruch auf den Mindestlohn?
- Was umfasst der Mindestlohn?
- Kann ich den Mindestlohn vertraglich umgehen oder ändern?
- Zählen Weihnachts- und Urlaubsgelder zum Mindestlohn?
- Können Sachbezüge angerechnet werden?
- Gilt der Mindestlohn auch für Bereitschaftsdienste?
- Kann ich den Monatsdurchschnitt zur Berechnung heranziehen?
II. Folgen bei Unterschreitung des Mindestlohnes, Bußen und Strafen
- Wieso muss ich bei Nichteinhaltung womöglich viel höhere Löhne zahlen?
- Warum ist bei Subunternehmer-Verhältnissen besondere Vorsicht geboten?
- Welche Bußen und Strafen drohen?
III. Das „Sahnehäubchen“: Aufzeichnungspflichten
- Welche Prüfungspflichten habe ich als Arbeitgeber oder Auftraggeber?
I. Geltung, Ansprüche und Berechnungsgrundlagen
Wer hat Anspruch auf den Mindestlohn?
Der Mindestlohn gilt für alle, bis auf wenige Ausnahmen:
- Ehrenamtliche
- Jugendliche unter 18 Jahre ohne abgeschlossene Berufsausbildung
- Langzeitarbeitslose in den ersten 6 Monaten der Beschäftigung
- Auszubildende
- Sog. Einstiegsqualifizierungen oder Berufsausbildungsvorbereitungen, echte Praktikanten.
- Studierende im dualen Studium
Anspruch auf Mindestlohn haben dagegen auch Praktikanten, die ein freiwilliges Praktikum nach einem Studienabschluss oder nach einer Berufsausbildung leisten.
Auch Minijobber (geringfügig und kurzfristig Beschäftigte, Aushilfen) haben Anspruch auf den Mindestlohn, ebenso Verwandte (Ehegatten-Arbeitsverhältnisse).
Was umfasst der Mindestlohn?
Der Mindestlohn von 8,50 €/Stunde vergütet grundsätzlich die gewöhnliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Es geht beim neuen Mindestlohn um den reinen Grundlohn. Zulagen, Sonn- und Feiertagszuschläge, Akkordprämien, Qualitätsprämien, Schmutzzulagen, Zuschüsse zu Reisekosten, etc., zählen nicht zum Mindestlohn, kommen also im Zweifel noch oben drauf.
Bei variablen Vergütungen, also einem Lohn, der aus Grundlohn und wie auch immer gearteten Verkaufs-, Leistungs- oder sonstigen Prämien besteht, muss bereits im Grundlohn 8,50 € erreicht werden. Der Autohaus-Verkäufer bspw. hat Anspruch auf den Grundlohn allein für seine Anwesenheit. Die Prämie, die er für den Verkauf eines Autos erhalten würde, kommt „on Top“, da hiermit nicht mit Sicherheit zu rechnen ist.
Kann ich den Mindestlohn vertraglich umgehen oder ändern?
Der Mindestlohn ist unabdingbar, d.h. Sie können mit Ihrem Arbeitnehmer keinerlei Vereinbarungen treffen, die den Mindestlohn umgehen sollen. Ausnahmen bestehen (jedenfalls in den nächsten drei Jahren) nur dort, wo allgemein verbindliche Tarifverträge gelten und diese heute noch nicht das Niveau des aktuellen Mindestlohnes vorsehen. Damit diese Tarifverträge anwendbar bleiben, müssen sie jedoch spätestens bis 31.12.2016 den Mindestlohn erreichen.
Sofern Tarifverträge höhere Löhne vorsehen, gelten natürlich diese. Das gilt insbesondere in Fällen von allgemein verbindlichen Tarifverträgen. Wenn also bspw. im Baugewerbe 11,15 € (ab 01.01.2015) gefordert sind, dann geht dies vor: Es sind 11,15 € zu zahlen und nicht 8,50 €.
Zählen Weihnachts- und Urlaubsgelder zum Mindestlohn?
Weihnachts- und Urlaubsgelder können nur dann zur Deckung des Mindestlohnes mit herangezogen werden, wenn sie tatsächlich und unwiderruflich zufließen werden. Regelmäßig dürfte es so sein, dass zumindest Weihnachtsgelder auf freiwilliger Basis gezahlt werden. Diese zählen dann nicht mit zum Mindestlohn. In Fällen, in denen der Mindestlohn nur gerade eben erreicht wird, sollte überlegt werden, das Weihnachts- und Urlaubsgeld von vornherein auf den Monatslohn umzulegen, also zu 12teln.
Können Sachbezüge angerechnet werden?
Hier gelten Besonderheiten: Zwar kann grundsätzlich vereinbart werden, dass ein Teil des Lohnes als Sachbezug gewährt wird. Allerdings darf der Wert des Sachbezuges die Höhe des pfändbaren Teils des Lohnes nicht übersteigen (§ 107 GewO).
Beispiel:Die Pfändungsfreigrenze für einen Allein-Verdienenden sei bspw. 1.050,00 € netto im Monat. Bei einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 170 Stunden im Monat und einem Mindestlohn von 8,50 € ergibt sich 1.445,00 € brutto, was für den Alleinstehenden ohne Unterhaltsverpflichtungen einen Nettolohn von rd. 1.060,00 € ausmachen dürfte. Demzufolge kann der Sachbezug in diesem Beispiel nur 10,00 € sein.
Gilt der Mindestlohn auch für Bereitschaftsdienste?
Der Mindestlohn gilt auch für Bereitschaftsdienste, da auch Bereitschaftsdienste Arbeitszeit sind. Mindestlohn gilt also grundsätzlich für jede geleistete Arbeitsstunde, unabhängig davon, ob in dieser Stunde tatsächlich gearbeitet wird oder nur auf Arbeit gewartet wird.
Kann ich den Monatsdurchschnitt zur Berechnung heranziehen?
Vorsicht bei geringen Festlöhnen, die gerade eben den Mindestlohn abdecken! Der Mindestlohn ist monatsbezogen zu betrachten. Es ist also nicht die Stundenzahl heranzuziehen, die ein Arbeitnehmer im Durchschnitt der Monate arbeitet. Es ist vielmehr die tatsächliche Arbeitsstundenzahl des jeweiligen Monats zu sehen. In „langen“ Monaten, wie etwa Januar, muss auch mind. eine Vergütung von 8,50 €/Stunde herauskommen.
II. Folgen bei Unterschreitung des Mindestlohnes, Bußen und Strafen
Wieso muss ich bei Nichteinhaltung womöglich viel höhere Löhne zahlen?
Zunächst einmal kann der Anspruch auf den Mindestlohn vom Arbeitnehmer eingeklagt werden. Wie bereits oben erwähnt, hilft da auch keine abweichende Vereinbarung im Arbeitsvertrag.
Bei Nichteinhaltung des Mindestlohnes kann der Arbeitnehmer unter Umständen nicht nur den Mindestlohn beanspruchen, sondern darüber hinaus sogar den höheren ortsüblichen Lohn (also z. B. ein Tariflohn). Die Missachtung des Mindestlohnes führt so zu weit höheren Löhnen als ‚nur‘ 8,50 €/Stunde und den damit verbunden Sozialabgaben.
Wegen des sog. Entstehungsprinzips in der Sozialversicherung sind die Beiträge auf jeden Fall von dem geschuldeten Lohn, also im Zweifel vom Mindestlohn ausgehend, zu berechnen, und zwar sowohl für die Arbeitnehmer- als auch für die Arbeitgeberanteile.
Warum ist bei Subunternehmer-Verhältnissen besondere Vorsicht geboten?
Sie als Hauptunternehmer haften dafür, dass Ihr Subunternehmer den neuen gesetzlichen Mindestlohn einhält. Ist dies nicht der Fall, stehen Sie sowohl für die Sozialabgaben als auch für Bußen und Strafen, die dem Subunternehmer auferlegt werden, ein. Besondere Vorsicht ist bei Sub-Sub-Sub-Unternehmer-Verhältnissen geboten. Jeder in der Kette haftet! Lassen Sie sich von Ihren Subunternehmern die Einhaltung des Lohnes nachweisen. Unseres Erachtens genügt die Bestätigung des Subunternehmers, dass er den Mindestlohn angeblich zahlt, nicht. Denn der bloße Glaube an die Gesetzestreue des Subunternehmers wird Sie nicht schützen. Ihre Haftung ist verschuldensunabhängig.
Welche Bußen und Strafen drohen?
Es sind drastische, ja geradezu existenzbedrohende Bußen und Strafgelder vorgesehen. Wer den Mindestlohn unterschreitet oder diesen auch nur nicht rechtzeitig bezahlt **, muss mit einer Geldbuße bis zu 500.000,00 € (eine halbe Million Euro) rechnen. Hinzu könnten Straftatbestände kommen: § 298 StGb (Wucher) und 266 a StGb (Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt) kommen hier in Betracht.
III. Das „Sahnehäubchen“: Aufzeichnungspflichten
Aber dies ist noch nicht alles. Hier kommt gewissermaßen das „Sahnehäubchen“: Das alles muss natürlich kontrollierbar sein. Ab dem 01.01.2015 gibt es daher erheblich erweiterte Aufzeichnungspflichten. Diese Aufzeichnungspflichten gelten für
- Minijobber (geringfügig Beschäftigte, gewöhnlich ‚Aushilfen‘ genannt),
- kurzfristig Beschäftigte
- Arbeitnehmer in bestimmten Wirtschaftszweigen (nämlich denen, die in § 2 a des Schwarzarbeiterbekämpfungsgesetzes genannt sind). Hierbei handelt es sich also vereinfacht ausgedrückt um diejenigen Branchen, die sofortmeldungs-pflichtig sind.
- a) Für diesen Personenkreis müssen täglich Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit sowie die Pausen aufgezeichnet werden.
- b) Diese Aufzeichnungen sind spätestens bis zum Ablauf des 7. Kalendertages, der auf den Tag der Arbeitsleistung folgt, vorzunehmen.
- c) Die Aufzeichnungen sind mind. 2 Jahre aufzubewahren.
- d) Die Aufzeichnungen sollen vom Arbeitnehmer und von Ihnen/einem anderen Vorgesetzten des betreffenden Arbeitnehmers abgezeichnet werden.
- e) Es muss erkennbar sein, wann die Aufzeichnung gemacht worden ist.
Letzteres bedeutet also, dass beim Abzeichnen ein Datum hinzuzufügen ist. Sie erkennen sofort, dass hier ein geradezu irrwitziger bürokratischer Aufwand betrieben wird.
Auch bei Stücklohn-Abrechnungen sind die Stundenaufzeichnungen zu führen, damit geprüft werden kann, ob mit dem vereinbarten Stücklohn der Mindestzeitlohn erreicht wird.
Welche Prüfungspflichten habe ich als Arbeitgeber oder Auftraggeber?
Sie als Arbeitgeber oder Auftraggeber (im Falle des Subunternehmer-Verhältnisses) sind verpflichtet, regelmäßig zu prüfen, ob der gesetzliche Mindestlohn geleistet wird. Hoffen Sie nicht, sich in irgendeiner Form herausreden zu können. Gehen Sie stattdessen davon aus, dass insbesondere der Zoll, dessen Dienststellen im Zusammenhang mit diesem neuen Gesetz um 1.600 Beamte aufgestockt werden sollen, sich auf diese neue Vorschrift bei Kontrollen an der Arbeitsstätte raubvogel-ähnlich stürzen wird. Die o.g. Strafen werden dabei mit dem Augenmaß des Zolls verhängt werden.
Die Tatsache, dass die Aufzeichnungen – wie oben beschrieben – zeitnah zu führen sind, macht klar: Sie sind hier in der Verantwortung: Im Regelfall werden wir als Steuerberater Ihre Aufzeichnungen erst zum Monatsende sehen. Dann ist es zu spät. Der Zoll und die Deutsche Rentenversicherung werden von Ihnen im Zweifel die gesetzlich vorgeschriebenen zeitnahen Aufzeichnungen verlangen. Ein Verstoß gegen die Aufzeichnungsspflichten alleine kann schon mit bis zu 30.000,00 € Buße geahndet werden.
Haben Sie Fragen zum Thema Mindestlohn? Wir beraten Sie gern.
Ihr Steuerbüro Harald H. Houben